Über meine Faszination für Angewandte Forschung im Bereich Optimierung: Werdegang, Erfahrungen und Ausblick

 

Über meine Ausbildung und den Ursprung meiner Faszination für angewandte Forschung im Bereich Optimierung:

Ich habe parallel Technische Mathematik und Betriebswirtschaftslehre studiert. Während des Mathematikstudiums, insbesondere in der Vertiefung “Operations Research und Optimierung”, lernte ich die formalen Werkzeuge kennen, um Optimierungsprobleme zu modellieren und algorithmisch zu lösen. Durch das BWL-Studium, insbesondere in der Vertiefung “Produktions-, Logistik- und Umweltmanagement”, erhielt ich eine zusätzliche, anwendungsorientierte Sicht hinsichtlich Nutzen und Herausforderungen von Optimierungsproblemen in der Praxis. Insbesondere die Thematik “Logistikoptimierung” lag also im Schnittbereich meiner beiden Studien. Entsprechend haben mich insbesondere Transportoptimierung (zugrundeliegende mathematische Probleme: Traveling Salesperson Problem bzw. dessen Verallgemeinerung das Vehicle Routing Problem) und Produktionsoptimierung (zugrundeliegende mathematische Probleme: Scheduling und Facility Layout Problem) schon während meiner Studienzeit besonders fasziniert. Beim Traveling Salesperson Problem beispielsweise soll eine Person vorgegebene Städte mittels einer optimalen Route (z.B. minimale Fahrzeit) besuchen und am Ende in ihre Heimatstadt zurückkehren. Beim Vehicle Routing Problem gibt es dann mehrere Salespersons, die zusammenarbeiten, und es werden typischerweise auch eine Reihe von zusätzlichen Bedingungen, wie beispielsweise maximale Fahrzeugkapazität, maximale erlaubte Fahrzeit oder Abhol- und Zulieferzeitfenster, berücksichtigt.

Über Typ und Eigenschaften von Optimierungsproblemen, mit denen ich mich vorwiegend beschäftige:
Den Forschungsfragen, mit denen ich mich beschäftige, liegen meist kombinatorische Optimierungsprobleme zugrunde. Bei dieser Problemklasse gilt es aus einer großen Anzahl an Lösungsmöglichkeiten die beste oder zumindest eine möglichst gute Lösung auszuwählen. Wenn man beispielsweise beim Traveling Salesperson Problem acht Städte besuchen soll, gibt es 40320 verschiedene Routen. Bei 70 Städten sind es dann bereits 10 hoch 100, also ein Einser mit 100 Nullen, verschiedene Routen. Zum Vergleich, die Anzahl der Atome im Universum wird auf 10 hoch 85 geschätzt. Hier kann man also nicht mehr alle Routen durchprobieren, um die beste zu finden. Hier verwendet man dann mathematische Methoden, um möglichst viele Routen, die nicht optimal sind, direkt auszuschließen. Damit lässt sich dann die optimale Route eines Traveling Salesperson Problems mit 70 Städten meist in Sekundenbruchteilen auf einem Standardlaptop lösen.

Über mein bisher größtes Forschungsprojekt mit direktem Anwendungsbezug:
Ich wurde von der englischen Firma “Satalia (NPComplete Ltd)“, deren Kernkompetenz die Entwicklung von Softwarelösungen mit integrierte künstlicher Intelligenz ist, auf Grund meiner Expertise im Bereich Logistikoptimierung kontaktiert. Ich arbeitete dann gemeinsam mit Satalia Juli 2015 bis Dezember 2017 unter anderem an Projekten mit einer der weltweit größten Supermarktketten und einer der weltweit größten Wirtschaftsprüfungsgesellschaften. Dabei konzentrierten sich mein 6-köpfiges Team und ich, die alle an der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt angestellt waren, insbesondere auf die forschungsintensiven Aspekte des Projekts, also auf den Bau von mathematischen Modellen zur Abbildung der wesentlichen Faktoren des betrachteten praktischen Problems und auf die Entwicklung von Optimierungsalgorithmen zur Bestimmung von effizienten Lösungen dieser Modelle.

 

Über Design und Implementierung von autonomen, adaptiven Optimierungssystemen in der betrieblichen Praxis:

Für eine erfolgreiche Entwicklung und Einführung eines solchen Optimierungssystems ist das Zusammenspiel einer Vielzahl von Faktoren wichtig: Einerseits muss ein für die Anwendung und die Systemanforderungen passendes Systemdesign gewählt und soft- bzw. hardwaretechnisch umgesetzt werden. Je nach Anwendungsfall kann es sich um einen kleinen losgelösten Teil eines größeren Ökosystems oder beispielsweise um ein eigenständiges System handeln. Generell könnte man sagen, es bedarf eines sehr genauen Verständnisses der (wirtschaftlichen) Prozesse, die man abbilden möchte, um die wesentlichen Aspekte des betrachteten praktischen Problems korrekt modellieren zu können, damit die von den Optimierungsalgorithmen bestimmten Lösungen dann auch in der Praxis umsetzbar sind. Auch sind die Inputdaten für das System entscheidend, weil es kann nur so gut funktionieren, wie das schwächste Glied in der Kette. So wie für alle Software-Systeme, die in geschäftskritischen Bereichen eingesetzt werden, gilt bei einem Optimierungssystem selbstverständlich auch, dass der Software-Entwicklungsprozess sehr hohe Qualitätsstandards erfüllt.

 

Neben den "harten" Faktoren muss man allerdings auch auf die "weichen" Aspekte Rücksicht nehmen. So sind natürlich eine benutzerfreundliche Bedienoberfläche und die  Bereitschaft des Unternehmens, seine Prozesse und Ways-of-Workings anzupassen genauso wichtig, um dem System zum Erfolg zu verhelfen. Die Stabilität des Systems hängt beispielsweise sehr stark vom Design ab. Kurz gesagt, kann man diese Frage mit "Ja" beantworten. Natürlich wird ein Unfall auf einer viel befahrenen Straße Probleme mit sich bringen, die sich im schlimmsten Fall auf die gesamte Planung auswirken können. Der entscheidende Punkt hier ist aber eher die Frage, wie das System auf solche Ereignisse reagiert bzw. reagieren kann. Handelt es sich um ein komplett integriertes System, das in Echtzeit läuft, kann entsprechend umgehend auf unerwartete Unfälle oder dergleichen reagiert werden und die Lösungen - hier z.B. die Fahrtrouten - werden dann einfach auf Basis der neuen zusätzlichen Informationen reoptimiert, also angepasst. Es werden beispielsweise aktuelle Verkehrsdaten live ins System eingespielt und die LKWs passen dann auf Basis dieser Informationen auch bei Bedarf ihre Routen noch während der Fahrt an. Wurde das System nicht als Echtzeit-System entworfen bzw. gibt es keine vollständige digitale Integration der Fahrzeuge, dann kann oft nur manuell auf solche Probleme reagiert werden.

Über den Einsatz von Machine-Learning-Verfahren bei der Produktions- und Transportlogistikoptimierung:
Machine Learning wird bei der Produktions- und Transportlogistikoptimierung zur Verbesserung der Qualität der Inputdaten verwendet. Bei der Berechnung von optimierten Fahrtrouten sind dies etwa die Fahrzeiten zwischen den Kundinnen und Kunden und die Aufenthaltsdauer bei den verschiedenen Kundinnen und Kunden. Die Fahrzeiten hängen auch von Parametern wie Wochentag, Tageszeit, Wetter und vielem mehr ab. Unter Berücksichtigung dieser Parameter schätzen wir die Fahrzeiten zwischen und Kundinnen und Kunden, und falls diese Schätzungen nicht korrekt sind, lernen wir mit Hilfe von statistischen Methoden auf Basis der Abweichung, um in Zukunft bessere Schätzungen abzugeben. Mit der Zeit werden die Schätzungen unseres Systems dadurch immer akkurater, das System lernt also und wird intelligenter. Analog verhält es sich auch bei den Schätzungen für die Aufenthaltsdauer bei den verschiedenen Kundinnen und Kunden. Auch hier gilt es eine Vielzahl an Faktoren zu berücksichtigen, beispielsweise die Parkmöglichkeiten bei den Kundinnen und Kunden oder die Anzahl der Stockwerke, die ohne Lift bewältigt werden müssen.

Über die strategische Bedeutung der erzielten Effizienzsteigerung von 10 Prozent:
Laut Establish Davis Database machten für das Jahr 2015 für ein durchschnittliches in der Datenbank eingetragenes Unternehmen die Logistikkosten 9,65% vom Umsatz aus. Der mit 48,4% weitaus größte Teil dieser Logistikkosten lag im Transportbereich. Für Unternehmen mit einem jährlichen Umsatz zwischen 100.000.000 USD und 500.000.000 USD betragen die Logistikkosten im Durchschnitt 8.8% vom Umsatz. Daraus folgen jährliche Transportkosten zwischen 4.259.200 USD und 21.300.000 USD. Laut einer Studie des Transparent Market Research wird der globale Umsatz der Logistikbranche von ca. 8 Billionen USD im Jahr 2016 auf über 15 Billionen USD im Jahr 2023 anwachsen - fast eine Verdoppelung über einen Zeitraum von 7 Jahren. Man kann davon ausgehen, dass auch hier knapp die Hälfte der Logistikkosten auf den Transportsektor entfällt. Das wären global gesehen für 2016 3,9 Billionen USD bzw. für 2023 7,26 Billionen USD. Die Transportlogistikkosten sind also für viele Unternehmen sehr hoch, so dass auch eine 10%-ige Reduktion davon noch immer ein strategisch sehr bedeutender Wert für die entsprechenden Unternehmen ist. Der Supermarktkette verhalfen wir beispielsweise zu einer Kostenreduktion von mehreren Millionen Euro pro Jahr. Die Projektkosten amortisieren sich bei erfolgreich umgesetzten Projekten in dieser Größenordnung dadurch meist innerhalb der ersten ein bis zwei Jahre. Auch eine 10%-ige Reduktion des CO2-Ausstoßes ist auf Grund der insgesamt hohen CO2-Belastung durch transportlogistische Prozesse im Vergleich zu Kosten und Nutzen anderer Umweltschutzmaßnahmen definitiv ein bedeutender Erfolg.

Über den Zusammenhang von aktuellen und zukünftigen Logistikkonzepten:
Es würde mich jedenfalls reizen Optimierungstools für Logistikkonzepte der Zukunft, wie beispielsweise die Verlagerung logistischer Operationen in die Luft (Drohnen) oder unter die Erde, zu entwickeln. Oftmals lassen sich auch bereits bekannte Optimierungsmodelle und -algorithmen durch entsprechende Anpassungen auf neue Konzepte übertragen. Beispielsweise steht man beim Einsatz von Lieferdrohnen, neben zu berücksichtigenden technischen und rechtlichen Restriktionen, hinsichtlich der erlaubten Flugkorridore vor ähnlichen Herausforderungen, wie bei der von uns betrachteten Flottenoptimierung von LKWs. Manche Aspekte, wie zum Beispiel die Schätzung der Flugzeiten zwischen den Kundinnen und Kunden und der Servicezeiten bei den Kundinnen und Kunden, vereinfachen sich durch die Verwendung von Lieferdrohnen sogar, wobei hier aber der Einfluss des Wetters und dessen Berücksichtigung im Modell an Bedeutung gewinnen kann.